7.2.2020 | aktuelle Meldung

Die Bezahlung von MFA muss stimmen

Unter dieser Überschrift hat der ÄND (Ärztenachrichtendienst) im seinem Ärzte-Portal einen Beitrag zur Fachkräftesituation bei MFA veröffentlicht. Carmen Gandila, die Vizepräsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V. hat dazu ein Interview gegeben, das wir nachfolgend veröffentlichen:

ÄND: Viele Ärzte beklagen, sie fänden kein qualifiziertes medizinisches Fachpersonal für ihre Arztpraxen. Was sagen Sie: Gibt es tatsächlich zu wenig Personal?

Carmen Gandila: Die Antwort (19/16303) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zeigt es, dass rein theoretisch noch kein Fachkräfteengpass festgestellt werden kann, weil nur zwei von drei Kriterien erfüllt sind und die gemeldeten Stellen „in einer angemessenen Zeit besetzt werden können“. Konkret beträgt diese Vakanzzeit bei MFA laut Bundesagentur für Arbeit im Jahresdurchschnitt 80 Tage. Sie müsste bei ca. 165 Tagen liegen, wenn auch dieses Kriterium für Fachkräfteengpass erfüllt sein sollte.

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) - das führende Forschungsinstitut für die ärztliche Versorgung in Deutschland - zeigt es in der Zi-Befragung zur Tarifstruktur und zur Personalsituation von Medizinischen Fachangestellten (MFA), dass ein Fachkräftemangel in den Arztpraxen deutlich wahrgenommen wird und dass dieser Mangel sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Dimension besitzt. Aus meiner Sicht ist die Personaldecke in den Arztpraxen ohnehin eng, der bürokratische Aufwand nimmt weiter zu und es werden immer mehr Aufgaben an MFA delegiert.

ÄND: Welche Rolle spielen für MFA die Arbeitsbedingungen – insbesondere die Bezahlung – bei der Jobauswahl?

Carmen Gandila: Dass die Arbeit im Beruf interessant sein soll, ist fast allen Jugendlichen bei ihrer Berufswahl ein wichtiges Anliegen. Doch den meisten Jugendlichen geht es um mehr. Sie wissen, dass die Berufe über spätere Verdienstmöglichkeiten und Karriereperspektiven sowie über das Ausmaß gesellschaftlicher Anerkennung mitentscheiden. Stehen zwei miteinander verwandte Berufe zur Auswahl, geben die letztgenannten Aspekte oft den Ausschlag. Dies gilt selbst dann, wenn es in diesem Beruf viel schwieriger ist, einen Ausbildungsplatz zu finden und der Erfolg bei der Ausbildungsplatzsuche keineswegs sicher ist.

ÄND: Wie viele Ärzte bezahlen ihre Arzthelfer nach Tarif?

Carmen Gandila: Laut Zi- Befragung sind knapp 81 Prozent der Arbeitsverträge von MFA im Rahmen tarifvertraglicher Regeln festgelegt. Im Vergleich zu 2015 (67 Prozent) ist das eine Steigerung um 14 Prozentpunkte. Es zeigen sich jedoch deutliche regionale Unterschiede, wenn man Versorgungsräume betrachtet. Während im Norden, Westen und Süden mehr als 80 % der Arbeitsverträge am Tarifvertrag für MFA orientiert sind, sind es im Osten nur 62 %. Allerdings: Noch nicht jeder, der sich im Rahmen des Tarifvertrages bewegt, bezahlt auch mindestens die Tarifgehälter.

Übrigens, seit August 2006 ist die Ausbildungsordnung zur/zum Medizinischen Fachangestellten in Kraft. Damit wurde die Berufsbezeichnung geändert. MFA darf sich auch nennen, wer noch eine Ausbildung als Arzthelfer/in abgeschlossen hat. Das wurde zwischen den Sozialpartnern so vereinbart. Wenn 14 Jahre später selbst von der Fachpresse immer noch die alte Berufsbezeichnung genannt wird, hilft das nicht gerade, die Attraktivität des Berufs zu erhöhen.

ÄND: Laut Tarifvertrag verdienen MFA in den ersten vier Berufsjahren in Tätigkeitsgruppe 1 rund 2000 Euro. Der Tarif ist bundesweit gültig. Reicht das, insbesondere wenn sie in einer Großstadt wie München leben?

Carmen Gandila: Auf gar keinen Fall!!! Traurigerweise müssen viele MFA zusätzlich einen Mini-Job annehmen. Im März 2019 gingen von den rund 406.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten MFA rund 55.000 einer geringfügigen Nebenbeschäftigung nach.

ÄND: Viele Ärzte sind überlastet und delegieren Aufgaben an ihre MFA ab. Welche Aufgaben sind in den vergangenen Jahren für sie dazu gekommen?

Carmen Gandila: Einerseits ist der Verwaltungsaufwand gestiegen, hier sind Aufgaben aus dem Bereich Qualitäts- und Fehlermanagement, Datenerfassung und Dokumentation sowie Datenschutz hinzugekommen. Verstärkt werden aber auch Aufgaben im Bereich Information der Patientinnen und Patienten sowie bei der technischen Durchführung von Untersuchungen delegiert, die durch neue Techniklösungen auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen. MFA haben den Anspruch, tatsächlich in der medizinischen Versorgung mitzuwirken. Hier wurden auf der Grundlage der Ausbildungsordnung eine Vielzahl von Fort- und Weiterbildungen geschaffen. Zu nennen wären die Fortbildungen zum Aufsuchen von chronisch kranken Patienten in der Häuslichkeit zur Entlastung der Ärzte und viele weitere Anpassungen (Wundmanagement, DMP, Datenschutz, Hygiene, QM und weitere).

Diese Entwicklung bedeutet aber auch für viele MFA eine Zunahme an Stress. Eine Studie des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat gezeigt, dass das Stress-Level unter MFA außerordentlich hoch ist. Der Praxisalltag ist gekennzeichnet durch großen Zeitdruck, vor allem bei hohem Patientenaufkommen, häufigen Unterbrechungen, Verantwortung, Arbeitsverdichtung und Multitasking. Dem steht wenig Wertschätzung in der Gesellschaft gegenüber.

ÄND: Ärzte sagen zudem, MFA sollten sich noch weiter professionalisieren dürfen, um ihnen noch mehr Aufgaben abzunehmen. Ist das im Sinne der MFA?

Carmen Gandila: Eine vollständige Akademisierung des MFA-Berufs ist nicht notwendig. Aber die Chance, sich durch gute Weiterbildung zu qualifizieren und entsprechende Aufgaben und mehr Verantwortung zu übernehmen, muss ausgebaut werden. Hier hat sich in den vergangenen Jahren viel getan und wir betrachten auch den Physician Assistant in der ambulanten Medizin mit großer Spannung. Prioritär als berufsbegleitendes Studium, um die MFA auch während des Studiums in der ambulanten medizinischen Versorgung zu halten.

ÄND: Welche Rolle sollten MFA Ihrer Meinung nach bei der ärztlichen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum spielen? Und welche nicht?

Carmen Gandila: MFA spielen in unterversorgten ländlichen Bereichen eine große Rolle bei der Entlastung der Ärzte und der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Sie können nach entsprechender Qualifizierung z.B. Hausbesuche selbstständig durchführen, während der Arzt oder die Ärztin in der Praxissprechstunde andere Patientinnen und Patienten untersucht und behandelt. Hier hat auch die Telemedizin einen großen Fortschritt gebracht. Ebenso ist es wichtig, dass im Team der Arztpraxis die Arbeit und die Delegation von Leistungen so organisiert wird, dass die Behandlung und Betreuung der Patientinnen und Patienten gut funktioniert. MFA können bereits ein breites Spektrum abdecken – von diagnostischen bis hin zu betriebswirtschaftlichen Aufgaben. Im Zuge der Weiterentwicklung des Berufs gehört dazu ebenso die qualitative und quantitative Nutzung der delegationsfähigen Leistungen bzw. deren Ausweitung.

ÄND: Können Sie – in Kürze – auch die Situation der ZFA schildern? Gibt es dort ähnliche Probleme in Bezahlung und Professionalisierung wie bei MFA?

Carmen Gandila: Die bestehenden Tarifverträge für Zahnmedizinische Fachangestellte (gültig für die Länder Hamburg, Hessen, Saarland und den Landesteil Westfalen-Lippe) erhalten leider keine bundesweite Geltung, wie bei den MFAs. Nur über bundesweite Tarifverträge kann mehr Lohngerechtigkeit auch in Kleinbetrieben geschaffen werden.
Wir haben im September 2019 eine Online-Umfrage unter Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) und Auszubildenden durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage positiv auf die Gehälter auszuwirken scheint. So hatten wir bei unserer Umfrage vor drei Jahren ermittelt, dass nur ca. 40 Prozent der ZFA nach Tarif bzw. am Tarif orientiert bezahlt werden. 2019 waren es immerhin 63 Prozent. Dennoch wachsen Fachkräftemangel und Unzufriedenheit weiter. Ein wesentlicher Grund für diese Stimmung ist die geringe Bezahlung. Das Bruttomonatsgehalt von vollzeitbeschäftigten ZFA lag 2018 bundesweit bei 2.040 Euro (Median, Quelle: Entgeltatlas.arbeitsagentur.de). Die Niedriglohngrenze hat das Bundesarbeitsministerium bei 2.203 Euro berechnet.

Was die Professionalisierung angeht, so gab es bei den ZFA zwar schon wesentlich länger als bei den MFA ein attraktives System mit unterschiedlichen Fortbildungsstufen. Allerdings ist es nicht weiterentwickelt worden und auch die Delegation von Leistungen hat sich nicht verändert. Unser Vorstoß einer Zahn-VERAH, also analog den MFA auch Hausbesuche für ZFA in Pflegeheimen zu ermöglichen, wird von der Zahnärzteschaft mit Verweis auf das Zahnheilkundegesetz regelmäßig abgelehnt.

ÄND: Zum Hintergrund: Erhalten MFA, wenn sie sich fortbilden und deshalb in eine neue Tätigkeitsgruppe aufsteigen, innerhalb einer Tarifstufe (also vier Jahren) auch mehr Gehalt? Wie viele MFA sind in welcher Tätigkeitsgruppe?

Carmen Gandila: Das sieht der Gehaltstarifvertrag für MFA vor. Der Tarifvertrag ist ein System aus Tätigkeitsgruppen und Berufsjahrgruppen. Er stellt aber nur den Mindeststandard da. Arbeitgeber/innen sollten dieses System anwenden, ihr Personal aktiv fördern und gern auch übertariflich bezahlen.
Zur Eingruppierung in die Tätigkeitsgruppen hat die Zi-Befragung ergeben, dass etwa 12 Prozent der MFA mit tariflicher Regelung in der Tätigkeitsgruppe I und mehr als die Hälfte (55 Prozent) in den TG II und III zugeordnet sind. In TG I und II sind 66 Prozent Berufseinsteiger. Ca. 42 Prozent sind in der Berufsjahrgruppe ab dem 17. Berufsjahr und hier vor allem in der TG VI.

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