21.4.2020 | Fachinformation

Statement zur Situation der Zahntechnik in Corona-Zeiten

„Sind wir Meister der Krisenbewältigung?“
Ein Statement in fünf Teilen zur Situation der Zahntechnik in Corona-Zeiten
Karola Krell, Referatsleitung Zahntechnik im Verband medizinischer Fachberufe e.V.

Teil 1: Unsere „Trainingslager“ der letzten Jahrzehnte

Es ist nicht neu, dass das Zahntechnikerhandwerk massiv von einer Krise betroffen ist. Als wichtige Säule im Gesundheitswesen bei der Erstellung des Zahnersatzes als Medizinprodukt, aber als von der Zahnärzteschaft abhängiger Teil der Wertschöpfungskette, hat unser Berufsstand schon so manche Stürme überlebt. Sparmaßnahmen der Krankenkassen und Gesundheitsminister in den letzten Jahrzehnten haben uns schwer zugesetzt, den Selbstständigen genauso wie auch den Angestellten. Kurzarbeit und Entlassungen einerseits, viele unbezahlte Überstunden, kaum Freizeit und Urlaub andererseits, Angst um den Arbeitsplatz oder das eigene Labor, Existenzsorgen, niedrige Löhne und Einkommen – kennen wir alles. Und trotzdem sind viele der Zahntechnik treu geblieben, arbeiten weiter hoch motiviert, weil unser Handwerk einfach Leidenschaft ist.

Und was ist mit den Ängsten vor der Digitalisierung unseres Berufes? Die meisten von uns haben diese längst überwunden, arbeiten ganz selbstverständlich damit und wissen die Vorteile zu schätzen. Auch das ist ein Prozess, der sicher (noch) nicht für alle gleichermaßen abgeschlossen ist. Besonders die älteren Zahntechniker/innen müssen in Zukunft noch besser mitgenommen und unterstützt werden, um ihre teilweise ausgeprägten Berührungsängste zu verlieren. Wir blickten eigentlich recht positiv in die Zukunft, Labore investierten in Technik und Personal und der Nachwuchs- und Fachkräftemangel ließ sogar so mancherorts die Löhne steigen.
Und dann kam die Corona-Krise, die unser Leben plötzlich erneut auf den Kopf stellt.

Teil 2: Die neue Krise Corona

Dieses Mal ist alles anders, weil es alle Berufe und Branchen trifft, wenn auch in ganz unterschiedlicher Weise. Dieses Mal trifft es die Menschen auf der ganzen Welt, jeden einzelnen von uns. Es sind verstörende Fotos und Berichte aus Italien, Spanien oder den USA. Dazu kommen bei vielen Sorgen um die eigene Gesundheit oder die von Angehörigen. Die Maßnahmen der Regierung beeinträchtigen unsere Grundrechte massiv, die Kontaktbeschränkungen erschweren unser soziales Leben, wie sich das keiner zuvor vorstellen konnte.

In den sozialen Medien beobachte ich in den einschlägigen Gruppen zusätzlich große Verunsicherung. In den Beiträgen werden unterschiedlichste Zahlen, Daten, Fakten und deren Darstellungsweisen geteilt – und keiner weiß, was man jetzt noch „glauben“ soll. Unzufriedenheit und Existenzängste steigen analog zur Dauer der Krise und der staatlich getroffenen Maßnahmen. Sachliche Diskussionen dieser Themen werden zunehmend schwieriger, die Nerven liegen blank, der Ton wird rauer.

Polarisierung können wir uns eigentlich nie und schon gar nicht jetzt leisten. Wir sind ein kleiner Berufsstand, werden in der Öffentlichkeit und Politik kaum wahrgenommen, was schon ohne Corona ein Problem für uns ist.

Auch wenn unsere politischen Ansichten bisweilen stark auseinander gehen, wir die Aktionen der Politik und Medien unterschiedlich bewerten, sind wir trotzdem alle Zahntechniker/innen und wollen unseren Beruf ausüben, unseren Lebensunterhalt damit verdienen und Freude an Technik und Ästhetik ausleben. Also – das ist unser gemeinsamer Nenner – machen wir das Beste daraus, auch in diesen Zeiten!

Teil 3: Und wie geht es den angestellten Zahntechniker/innen in der Krise?

Wichtig war, dass auch unsere beruflichen Institutionen sofort reagiert haben.

Der VDZI und die Innungen sorgen mit vielen nützlichen Informationen und Hilfsangeboten für die Betriebsinhaber/innen, was letztlich auch den Angestellten zu Gute kommt. Im besten Fall ziehen in den Betrieben alle an einem Strang, die Kommunikation stimmt und das gemeinsame Ziel ist es, nach der Krise zusammen weiter zu arbeiten. Und was, wenn nicht?

Häufiger wird mir zugetragen, dass angestellten Zahntechniker(inne)n Vereinbarungen vorgelegt werden, die sie möglichst ohne Nachfragen oder weitere Kommunikation sofort unterschreiben sollen. Sie sollen Kurzarbeit zustimmen, obwohl massive Einkommenseinbußen bei niedrigen Löhnen existenzgefährdend werden. Eine spätere Kündigung ist nicht ausgeschlossen. Es gibt Labore, die noch immer nahezu ausgelastet sind oder Reparaturen annehmen und die Mitarbeiter/innen ohne Schutzausrüstung, mit zu geringen Mindestabständen zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen oder ohne besondere Hygienemaßnahmen arbeiten lassen.

Solidarität, die von den Angestellten eingefordert wird, darf jedoch keine Einbahnstraße sein. Die Fürsorgepflicht und der Mitarbeiterschutz der Arbeitgeber ist nicht aufgehoben, Gefährdungsanalysen müssen an die aktuelle Infektionslage angepasst werden. Mit den Themen Arbeitsschutz und Hygiene wurde in den Dental-Laboren in der Vergangenheit zu oft recht stiefmütterlich umgegangen. Das Bewusstsein dafür ist bei so manchen Technikerinnen und Technikern eher schlecht entwickelt. Zu deren Sensibilisierung stehen vielfältige Materialien der Berufsgenossenschaften zur Verfügung, die noch mehr in den Laboren verwendet werden sollten. Die vorgeschriebenen und empfohlenen Maßnahmen müssen konsequent umgesetzt werden.

Als Arbeitnehmervertretung informieren auch wir intensiv über Corona-Themen, sind persönlich für unsere Mitglieder da und bieten die kostenfreie individuelle Beratung in allen arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Denn jede/r hat das Recht auf Unterstützung, um diese Krise bestmöglich zu bewältigen.

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Gemeinsam sind wir stark!

Teil 4: Was brauchen wir jetzt?

Gleichzeitig dürfen wir unsere kollektive Herausforderung für unser Handwerk nicht aus den Augen verlieren. Wir sollten jetzt konkret und laut gemeinsam darüber nachdenken, was jetzt und in der Zeit „danach“ wichtig ist. Wie Dr. Dr. Markus Troeltzsch in einem Interview erklärt, wird es nur die Zeit vor, nicht „nach“, sondern nur die Zeit mit dem Virus geben.

Je nachdem, wie sich die Lage bei uns entwickelt, wie die Infektionswellen verlaufen, ob und wann Medikamente und/oder Impfungen zur Verfügung stehen, müssen wir uns darauf einstellen und lernen mit SARS-CoV-2 umzugehen. In erster Linie geht es also zunächst darum, dass die Betriebe und somit die Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten bleiben. In einem Brandbrief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn haben wir auf die prekäre Situation auch der angestellten Zahntechniker/innen hingewiesen und appelliert, dass wir – wie andere Berufsstände auch – Hilfe erhalten. Aufgrund fehlender Schutzkleidung können unsere Auftraggeber nicht arbeiten und somit sind bis auf wenige Ausnahmen die Aufträge komplett weggebrochen.

Kurzarbeit ist deswegen in den meisten Betrieben bereits eingeführt bzw. wird es noch, um Entlassungen zu verhindern. Das Kurzarbeitergeld von 60 bzw. 67% des Nettolohnes ist vor allem im Niedriglohnbereich zu wenig, um die laufenden Kosten decken zu können. Eine Aufstockung durch die Arbeitgeber wäre wünschenswert, wenn es die wirtschaftliche Lage zulässt. Bei starken Umsatzeinbußen geraten jedoch viele Laborchefs selbst in finanzielle Schieflagen. Die letzten Jahre wurde Geld in die Digitalisierung investiert und Kreditraten oder Leasinggebühren müssen mittelfristig wieder bedient werden. Da hilft ein Hilfsprogramm, in dem neue Schulden gemacht werden müssen, nur bedingt. Wir brauchen deshalb in der Pandemie eine Ausweitung des Rettungsschirms und eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes von staatlicher Seite, um die Arbeitgeber in der Zahntechnik zu entlasten und die Arbeitnehmer(inn)en vor Existenzsorgen zu schützen. Wenn wir in solch schwierigen Zeiten solidarisch und wertschätzend miteinander umgehen und kommunizieren, fällt es übrigens allen Beteiligten leichter.

Unser Berufsnachwuchs ist jetzt in besonderer Weise von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Die Betriebe, aber auch die Mitarbeitenden sowie die Berufsschulen und natürlich die Auszubildenden selbst, sind besonders gefordert, die berufliche Handlungsfähigkeit zu vermitteln und sie zu erlangen. Als Verband unterstützen wir gerne die Beteiligten, sowohl die ausbildenden Betriebe als auch die Auszubildenden, nach Kräften. Wir freuen uns auf Eure/Ihre Zuschriften!

Teil 5: Solidarität in der Krisenbewältigung

Wenn in den Praxen wieder im Normalbetrieb gearbeitet wird, ist dennoch unsicher, wie groß die finanziellen Einbußen bei den Bürgerinnen und Bürgern sein werden. Somit lässt sich nicht vorhersagen, wie viel Zahnersatz dann nach der Krise tatsächlich bei den Laboren in Auftrag gegeben wird. Im positiven Fall werden die zahntechnischen Betriebe mit Arbeit geflutet, sodass es unverantwortlich wäre, noch mehr Zahntechniker/innen aus der Branche zu verlieren.

Wir brauchen die Solidarität mit den Zahnärztinnen und Zahnärzten, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Zahnersatz nach dem Shutdown nachhaltig und wohnortnah sicherzustellen. Diesbezüglich fordern wir von der Politik klare Regelungen, um die Fertigung von Zahnersatz im Inland zu fördern und damit die Arbeitsplätze der ca. 49.000 angestellten Zahntechniker/innen und die Ausbildungsplätze zu schützen und letztlich das hochspezialisierte Wissen im Zahntechnikerhandwerk im eigenen Land zu halten.
Der VDZI-Präsident Dominik Kruchen hat die Zahntechniker als „Meister der Krisenbewältigung“ beschrieben. Ja, darin sind wir in der Tat gut in Übung und erfolgreich waren wir offensichtlich, sonst gäbe es uns nicht mehr. Diese Form von Krise ist jedoch für uns alle neu und außergewöhnliche Ereignisse erfordern erfahrungsgemäß außergewöhnliche Maßnahmen. Sind die Lösungen für frühere Krisen deshalb auch jetzt ausreichend? Müssen wir vielleicht neue Wege gehen?

Oft wird in unserem Berufsstand über mangelndes Zusammengehörigkeitsgefühl geklagt. Selbst in diesen Zeiten erreichen mich fast täglich Berichte von mehr gegen- als miteinander. Das macht mich zutiefst betroffen. Andererseits darf ich auch Positives beobachten, Hilfsbereitschaft und Aktionen, die Mut machen.

„Auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Eintreten füreinander sich gründende Unterstützung“ beschreibt laut Duden den Begriff „Solidarität“. Es ist nicht nur ein Wort, das in Zeiten des immer Weiter und Höher einen etwas angestaubten Touch hatte. Es ist vielmehr ein Wertbegriff, der wahrhaftig gelebt, in allen schwierigen Phasen der Geschichte den Menschen durchaus hilfreich war. Das wäre doch mal ein Ansatz, wie wir gemeinsam diese außergewöhnlichen Zeiten meistern und zusammen mehr für unser Handwerk erreichen.

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